Da sieht man nach über 3000 km endlich wieder mal Land. Was für ein Gefühl! Und dann fährt man mit dem Tenderboot an Land (der Hafen ist viel zu klein, als dass man dort anlegen könnte) und sieht als erstes glasklares Wasser. Die Häuser, die sich an die Felsen schmiegen vom Hafen bis zum Stadteingang sind alt, aber tipp topp sauber. Als erstes treffen wir ganz viele freundlichste Menschen an, die uns begrüssen, als gehörten sie zur Crew des Schiffs, dann treffen wir auf einen uralten (es stellte sich heraus, dass er 88 ist) Inselbewohner, dunkelbraun wie ein Inder, klein wie ein Nachfahre Napoleons, Augen von allen Nationen, die hier je angelandet haben. Er will uns eine Tour verkaufen. Wir versprechen ihm, für diese grosse Tour morgen schon um 10 zu kommen und er verspricht, dass er warte. Erschlagen von den 3000 km und den Gefühlen, die da einem hochkommen in dieser aussichtslosen Quarantäne mit Dauerprogramm für (sehr) ältere Leute aus Deutschland (deutsche Spiele, deutsche Schlager, deutsche Küche, dafür keine deutsche Gründlichkeit am Schiff) schlendern wir die Hauptstrasse hoch und sind sofort hingerissen: keine Bettler, keine Strassenverkäufer, nur Läden alle paar Meter, und dann laute Musik, friedliche Leute beim Feierabendbier, viele freie Bänke. Ich kann da nur sitzen und geniessen, dass das Leben auch noch andere als reindeutsche Facetten hat. Die Leute in den Läden erklären uns die Insel, die Geschichte, alles, was wir wissen möchten, sind freundlicher als man das bei uns bei der freundlichsten Verkäuferin gewöhnt ist, dann noch ein kleiner Spaziergang durch die «Hauptstadt» der 4500 Seelen-Insel. Da bietet uns eine Frau, die wir fragen, was das für ein Baum sei mit diesen Früchten an den langen Stilen, die Früchte gleich an: die 4 Mangos sind die besten seit Madeira. Beflügelt tendern wir zurück aufs Schiff und freuen uns auf den kommenden Tag.

Der kommende Tag ist noch besser: der alte Mann wartete schon, als wir um 9.45 h da sind, umringt von Leuten, die ihn buchen wollen. Aber er sagt allen strikt: Nein, diese Frau hat mir 8 Leute zugesagt, auf die warte ich jetzt noch! 4 von den 8, die sich angemeldet haben, kamen nicht. Der Bus ist aber sofort voll, mind 40 Jahre alt, rostig, aufgeschlissen, die Felgen mit Fixierbändern zusammengehalten, aber Robert ist nett und vertrauenseinflössend und fährt uns mit dem Gefährt mit max 3 Gängen (inkl. Rückwärtsgang) langsam und gemütlich die Berge rauf und wieder runter. Er ist über 20 Jahre Schulbus gefahren und sei bekannt für seine langsame Fahrweise! Auf der Strassen winken sie sich nicht nur zu, die Autos, sie hupen immer auch zur Begrüssung oder zum Dank, wenn Robert wieder mal jemanden den Vortritt gibt. Wir haben das riesige Glück, dass sich 2 zu uns gesellt haben, die eine ähnliche Begeisterungsfähigkeit haben wie wir und der Mann läuft erst noch zackig, was Göran besonders beglückt. Eine der ersten Stellen war das Grab des Napoléon. Erzähle mir keiner, dass der da nicht mehr liege. Von so einem Platz geht man nur mit Gewalt weg. Sollten die die Gebeine ausgegraben haben, seine Seele hat bestimmt hier ihre Heimat. Sogar selbst ausgesucht hat er sich den Platz auf seinen langen, einsamen Wanderungen. Der Weg dahin ist weich wie eine dicke Moosschicht, der Duft dieses ursprünglichen Waldes ist einzigartig, und dann diese Ruhe, ausser uns und der Vögel hört man überhaupt nichts (wir sind die Einzigen, die runter gelaufen sind von unserem Bus, was für ein Glück).

Die Tour über die Insel mit dem abenteuerlichen Bus führt uns auch zum Longhaus, wo Napoléon gelebt hat seine letzten Jahre und sich einen riesigen Park anlegte, um ein bisschen Bewegung zu haben. Wäre es kein Verbannungsort gewesen, da könnte man (freiwillig ein paar Wochen!) leben. Es ist ein besonderes Gefühl, zuerst das Grab und dann das Sterbebett dieser Politgrösse zu sehen. Irgendwie wird der einem in dieser Umgebung richtig sympathisch!

Der kleine Bruder oder Sohn des ältesten Lebewesens der Welt – Jonathan, die Schildkröte, ca. 190 Jahre alt – können wir von Nahe sehen, Jonathan grast irgendwo auf der Wiese vor dem Gouverneurshaus. Zum Fort hoch rennt Göran wie ein kleiner Bub vor Freude, die vielen Fotostops, die sagenhafte Umgebung, überhaupt die überaus freundliche Tour hätte man nur noch mit einem St. Helena Gin und St. Helena Kaffee toppen können. Den Gin haben wir vergessen, den Kaffee fanden wir nicht überwältigend. 

Und nun sind wir schon wieder weg. Das Herz noch offen von diesen tollen Eindrücken und bereit für 3 Seetage bis Namibia.

St. Helena

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